Der Irrtum mit der Autobahn

An den Scheidewegen des Lebens stehen keine Wegweiser.

(Charlie Chaplin)

 

Ein kurzer Exkurs in Verkehrskunde:

Die A7 ist mit einer Länge von 962,2 km die längste deutsche Bundesautobahn und nach der spanischen Autovia A-7 die zweitlängste in Europa. Du könntest am Stück von Kempten nach Flensburg fahren oder umgekehrt.

 

Warum erzähle ich das?

Weil solch eine Start-Ziel-Fahrt, am besten noch mit maximaler Geschwindigkeit, sinnbildlich so gerne und häufig als Metapher für den Weg zum Erfolg oder zur Erreichung von Zielen  verkauft wird!

„Setze Dich vom Ist-Zustand aus in Bewegung und gehe schnurstracks geradeaus los, wo Du hinwillst, so einfach ist das!““

Das ganze natürlich in 7 Tagen nach Erwerb von Buch X oder Kurs Y und schon bist Du von Deinem persönlichen Flensburg in Deinem gewünschten Kempten angekommen!

Direkt, ohne Stau, ohne Umwege immer nur in eine Richtung, geradeaus nach vorne, kein Blick zurück oder zur Seite, allerhöchstens ein Tankstop plus Toilette! 

Das klingt so cool, so sexy, so easy und natürlich ist diese Message mit verlockendsten Angeboten garniert. Doch es gibt leider einen klitzekleinen Haken:

Die Realität sieht anders aus!

 

Was die Anbieter dieser Botschaften und Angebote unter den Teppich kehren ist, dass das Erreichen von Wunschzielen und Etappen, sowie der damit erzielte Erfolg, nie ein Geradeausweg in eine Richtung war und ist, sondern eine kurvige Landstraße mit nicht ausgeschilderten Weggabelungen, Staus, Serpentinen, Höhenunterschieden und vor allem gibt es kein Navi, welches einen lotst und warnt.

Spannend dabei finde ich immer, dass genau diese Menschen, welche von solchen Geradeauswegen in solch tollen Farben erzählen, für ihren Erfolg genau diese unbequemen, unbekannten, steinigen und nicht ausgeschilderten Wege gegangen sind. Sie hätten eigentlich so viel Konstruktives und Inspirierendes darüber zu erzählen. Doch würden diese Erzählungen nie von Fahrten zwischen Flensburg und Kempten handeln!

 

Man mag zu seiner Schauspielkunst stehen wie man möchte, doch ist Sylvester Stallone eines der Paradebeispiele für diese Reise. Bevor er für Rocky I den Oscar erhielt und damit in den Olymp Hollywoods katapultiert wurde, war er pleiter als pleite. Er flog aus seiner Wohnung, seine Freundin verließ ihn und er musste seinen geliebten Hund verkaufen, um über die Runden zu kommen. Etliche Produzenten tippten sich an die Stirn, als er mit der klaren Ansage vorsprach, dass sein Drehbuch für Rocky nur mit ihm als Hauptdarsteller oder gar nicht verfilmt werden dürfe.

Nicht von ungefähr konnte er die Rolle dieses Rocky Balboa so authentisch und oscarreif spielen, weil er diese unbekannten, unbequemen Straßen Meter für Meter durchquert hatte, ohne die geringste Garantie, wie der Zielort letztendlich aussehen wird.

 

Genauso durfte ein gewisser Bastian Schweinsteiger auf seinem Weg zum Champions-League-Sieger und Weltmeister zuvor etliche Male weinend im Rasen versinken, nach verschossenen Elfmetern und verlorenen Finalspielen und dabei anderen beim Jubeln zusehen, ehe er selbst diese Pokale in die Höhe stemmen durfte!

 

Warum ich das erzähle und zudem ausgerechnet an einem Zeitpunkt, wo in der allgemeinen Wahrnehmung derzeit ganz andere Themen auf der Agenda oben stehen?

Weil gerade jetzt, zwischen den Festtagen die Reflektion des alten Jahres und Neuausrichtung, verbunden mit vielen guten Vorsätzen zum neuen Jahr, wieder fließend ineinander übergehen. Ambitionierte Vorhaben, guten Ideen und Planungen steigen saisonal an!

Wenn nicht in diesem Zusammenhang, wann dann, sollte man sich diese natürlichen Gesetzmäßigkeiten mehr denn je ins Bewusstsein rufen?  

Ein Bewusstsein für die Besonderheit, die Herausforderungen, die Hürden, jedoch vor allem aber auch für die Schönheit, die Spannung und das Wachstumspotential einer solch niemals gerade verlaufenden Tour!

Das im Bewusstsein gespeichert zu haben, ist mehr als wertvoll, wenn im neuen Jahr oder wann auch immer ein neues Vorhaben nicht gleich wie geschnitten Brot läuft!